Ein Ausdruck der Vergangenheit

JW aus Norheim

Objekt: Druckerpresse

Die Druckerpresse gehörte zum Werkstatt-Inventar des 1890 in Dörrebach gegründeten und bis zum Ende des 2. Weltkrieges auch in Stromberg geführten Uhren- und Juweliergeschäftes Gutmann. Jakob Gutmann (1903 - 1985), ein Sohn des Gründers, erlernte dort das Uhrmacher-Handwerk. Er übernahm aber später nicht das Geschäft, sondern arbeitete in seinem Uhrmacherberuf bei der RNK (Rhein-Nahe-Kraftversorgung) in Bad Kreuznach. Er wohnte nach der Heirat mit meiner Tante Eva in Norheim und richtete sich nach Auflösung der Dörrebacher Werkstatt aus den dortigen Werkstattbeständen später in seinem Wohnhaus seine eigene Hobby-Uhrmacher-Werkstatt ein, in der er den größten Teil seiner Freizeit mit Reparaturen mechanischer Uhren von Bekannten verbrachte. Neben einer Spezial-Uhrenachsendrehbank und Uhrmacherwerkzeugen stand dort auch die Druckerpresse, die im früheren Geschäft zum Druck von Visiten- und Glückwunschkarten diente.

Meistens reparierte er unentgeldlich. Doch wenn er sehr viele Stunden für eine erfolgreiche schwierige Reparatur z. B. einer winzigen Damen-Armbanduhr aufgewendet hatte, hörte ich ihn antworten auf die Frage: "Jakob, was kriegst du dafür?" – "Ei, gib mir 12 Groschen!“" Es kam ihm nicht auf Geld an, er war Uhrmacher aus Leidenschaft.

Ich war als Kind und Jugendlicher fasziniert von der Geduld, Hingabe und Präzision, mit der sich mein Onkel mit Uhrwerk beschäftigte und kann dieses Gefühl auch heute noch abrufen.

Die Druckerpresse war und ist für mich heute noch, neben kleineren Erinnerungsstücken ein "Memorial" für den Beruf meines Onkels und für die Zeit, als man noch Schriftstücke sorgsam mit beweglichen Bleilettern setzte und druckte - und vor allem für Besuche in der aufgelassenen Werkstatt in Dörrebach in den 50er bis 70er Jahren.

Vor allem der erste Besuch ist mir unvergesslich geblieben:

Als Junge von vielleicht 6 Jahren durfte ich zum ersten Mal mit nach Dörrebach (damals eine kleine "Weltreise"), und zwar zusammen mit Onkel und Tante auf seinem Motorrad (einer 100er "Adler"): Er am Lenker, die Tante auf dem Sozius - und ich vorne auf dem Bezintank! - alle ohne Helm über die Landstraße von Norheim nach Dörrebach. Die Fahrt und dann die Atmosphäre in der ehemaligen Uhrmacherei mit all' den verschiedenen tickenden Uhren, Spezialwerkzeugen und Geräten bleibt mir unvergesslich.

Vor allem die Druckerpresse hatte es mir angetan. Und so begleitete mich - nach dem Ableben des kinderlosen Ehepaares Gutmann - die Druckerpresse während vieler Jahre meiner Berufszeit als Erinnerungs-, Deko- und Anschauungsstück vor bzw. in meinem jeweiligen Schulleiterbüro.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0