Rheinland-Falz

Michelle aus Kirn

Objekt: Falzbein zur Lederverarbeitung

Kirn war lange Zeit ein wichtiges Zentrum der rheinland-pfälzischen Lederwarenindustrie. Zu Glanzzeiten arbeiteten allein in der größten Kirner Lederwarenfabrik „Jakob Müller“ bis zu 1500 Menschen; darunter auch mein Großvater. Als Portefeuiller fertigte er in den 1950er Jahren vor allem Portemonnaies.

Dabei war es natürlich besonders wichtig, sehr sorgsam und gründlich zu arbeiten, damit alle Nähte „akkurat“ vernäht werden. So wurde „akkurat“ nicht nur zu einem Lieblingswort meines Opas, sondern auch zu seiner Lebenseinstellung. Alles wurde „akkurat“ erledigt, vom Aufräumen der Garage bis hin zu seinen geliebten Kreuzworträtseln.

Als meine Einschulung bevorstand, und ich einen ganzen Stapel an Schulbüchern erhielt wurde die Aufgabenliste meines Opas um einen Punkt, den es „akkurat“ zu erledigen galt, erweitert: Er sollte meine Schulbücher in eine durchsichtige Schutzfolie einbinden. Ich erinnere mich noch immer gut an meinen Opa, wie er, mit seiner Lesebrille auf der Nase, meine Bücher beklebt und mir schon als kleines Mädchen jeden Schritt genau erklärt.

Dabei lernte ich das Falzbein kennen. Ein, nicht nur für Feintäschner, unerlässliches Hilfsmittel, das, so unscheinbar es auch aussehen mag, die Arbeit enorm erleichtert. Mit dem Falzbein lässt sich das Leder, ebenso wie die Klebefolie, an den Rändern umschlagen und ankleben, sodass ein „akkurates“ Endprodukt entstehen kann. Als ich etwas älter war und beschloss, meine Bücher selbst einzubinden, schenkte mir mein Opa sein Falzbein.

Von der einst einflussreichen Kirner Lederwarenindustrie finden sich heute nur noch wenige Überbleibsel. Auch die Lederwarenfabrik „Jakob Müller“ musste, wie viele andere der lederverarbeitenden Betriebe in den 1980er und 1990er Jahren ihre Tore schließen. Daher erinnert mich das Falzbein bis heute nicht nur an meinen lieben Opa, sondern auch an die Geschichte in meiner Region.

Mir gefällt es besonders, wenn auch noch so kleine Gegenstände es schaffen, dass wir für einen Moment an die Vergangenheit denken, wir uns an liebe Menschen und schöne Situationen erinnern und ab und zu etwas nostalgisch werden.

 

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